Binden auf der Bending Feathers: Gray Ghost und Co.
Seit vielen Jahren habe ich eine Schwäche für klassische Streamer aus New England. In ihrer teilweise recht farbenfrohen Erscheinungsform mit Jungle Cock Federn als Wange oder Auge ähneln sie ein wenig den aufwändig gebundenen traditionellen Featherwing Salmon Flies. Eine Pionierin dieses Bindestils war die Hutmacherin Carrie Stevens. Sie lebte in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit ihrem Ehemann Wally Stevens, einem professionellen Fishing-Guide, in der Rangeley Lake Region in Maine, damals wie heute ein beliebtes Angel- und Jagdgebiet für die Erholung suchenden Einwohner der großen Städte an der Ostküste der USA. Ihre bekannteste Kreation war sicher der Gray Ghost, ein Streamer der heute noch in mancher Fliegendose zu finden ist. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Muster immer auch korrekt gebunden wurden. Beim Binden wandte Mrs. Stevens nämlich gerne einen besonderen und entscheidenden Trick an: Die Hauptschwinge und die darübergelegte Schulterfeder klebte sie zuerst extern zusammen und band diese fertigen „Module“ im letzten Bindeabschnitt nicht oben auf den Hakenschenkel, sondern seitlich ein. Das ergab ein sehr stromlinienförmiges Muster und somit die gelungene Imitation eines schlanken Kleinfisches.
Eine ganze Reihe von Fliegenbindern hat diesen Bindestil in der Folge übernommen, weiterentwickelt und eigene Kreationen hervorgebracht. Das Schöne daran: Auch heute noch kann jeder eigene Versionen entwickeln. Traditionelle, natürliche Materialien dürfen mit modernen, künstlichen ergänzt werden. Ein paar integrierte glitzernde Flash-Fäden spielen im Wasser besonders schön und erzeugen attraktive Lichtreflexe. Ob die Erscheinungsform des Streamers nun eher imitativ ist oder in Richtung eines bunten „Attractors“ geht, die Fische werden ihn interessant finden. Ich selbst hatte schon vor etwa 30 Jahren mein besonderes Erfolgserlebnis. Auf dem Lough Mask, im Westen Irlands, schleppte ich zum ersten Mal eine selbstgebundene Variante des Gray Ghost bei langsam laufendem Außenbordmotor hinter dem Boot her. Tatsächlich schlug irgendwann die Rute aus und nach einem ziemlich heftigen Drill durfte ich eine 3-Kilo Brown Trout an Bord holen. Die zweitgrößte wilde Forelle, die ich je gefangen hatte. Ich sah das als durchaus gelungene Einführung dieser Streamerart an…
Bei der Herstellung dieser Muster kann man sich an die Vorbilder halten oder die eigene Phantasie spielen lassen. Es gibt reichlich Entfaltungsraum zum Experimentieren und garantiert jede Menge Bindespaß. Während Bending Feathers zeige ich Ihnen gerne verschiedene Beispiele in der Bindeweise von Carrie Stevens.
Bis bald
Hans Eiber